- Warum Bravsein uns nicht weiterbringt
Der Begriff „Online-Marketing“ ruft oft Bilder von leuchtenden Anzeigen, begeisternden Werbespots und tollen Produkten hervor, die jedes Problem lösen. Doch im Verlauf des Siegeszugs im Internet im frühen 21. Jahrhundert haben sich schnell neue Wege und Techniken entwickelt, die nicht immer das beste Licht auf unsere Branche werfen. Inspiriert durch das Buch „Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin: Warum Bravsein uns nicht weiterbringt” von Ute Ehrhardt werfen wir einen Blick auf Taktiken und Strategien, die oftmals sogar mehr als nur eine Grauzone berühren.
Deutschland, bzw. die EU im Ganzen – bekannt für seine strengen Datenschutzgesetze – hat in den letzten Jahren die Anforderungen an das Online-Marketing deutlich verschärft. Insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stellt klare Regeln auf, um die persönlichen Daten der EU-Bürger zu schützen. Unternehmen sind verpflichtet, transparent darüber zu informieren, welche Daten sie zu welchem Zweck erheben und wie lange sie diese speichern.
Mit der Einführung der DSGVO wurden auch die Regeln für Cookie- und Pixel-Tracking verschärft. Unternehmen müssen nun eine eindeutige Einwilligung der Nutzer einholen, bevor sie deren Aktivitäten verfolgen dürfen. Dies hat zu der Einführung von Cookie-Bannern geführt, die mittlerweile auf fast jeder Website zu finden sind.
Die strengen Datenschutzbestimmungen haben zweifellos die Art und Weise verändert, wie Marketing in Deutschland und der EU betrieben wird. Die Notwendigkeit, Einwilligungen für das Tracking einzuholen, führt zu einer Verringerung der Datenmenge, was wiederum die Effektivität zielgerichteter Werbekampagnen beeinträchtigt.
Diese eingeschränkte Datenmenge hat tiefe Auswirkungen auf Plattformen wie Facebook, Taboola und andere, die stark von genauen Nutzerdaten abhängen, um Werbetreibenden eine gezielte Zielgruppenansprache zu ermöglichen. Diese Plattformen nutzen komplexe Algorithmen, die die Daten der Benutzer analysieren, um die ideale Zielgruppe für eine bestimmte Werbeanzeige oder Kampagne zu ermitteln. Ohne einen Zugang zu Nutzerdaten können diese Algorithmen ihre volle Leistungsfähigkeit nicht entfalten, was dazu führt, dass Werbetreibende ihre idealen Zielgruppen nicht so effizient wie bisher erreichen können.
Der Performance-Verlust bei Werbekampagnen ist spürbar. Wir selbst haben erlebt, dass die Effektivität von Kampagnen um bis zu 30 % eingebrochen ist. Dieser Rückgang bedeutet, dass Unternehmen mehr Geld für ihre Werbung ausgeben müssen, um dieselben Ergebnisse zu erzielen wie vor den strengen Datenschutzbestimmungen. Es unterstreicht auch, wie wichtig es ist, die Balance zwischen dem Schutz der Privatsphäre von Verbrauchern und den Zielen von Werbetreibenden zu finden.
Ein Cookie kann Informationen wie die IP-Adresse, das verwendete Gerät und den Browsertyp sammeln. Aber persönliche Daten wie Hausnummer oder Bankverbindung? Nein, die werden natürlich nicht übertragen. Aber hier stellt sich die Frage: Was verrät ein Cookie eigentlich wirklich?
Für Marketingzwecke sehr wertvolle Informationen, aber nichts, was einer Person schaden könnte. Dennoch hat der gesetzgeberische Eifer, gepaart mit einer teilweise fehlgeleiteten Panik in der Öffentlichkeit, dazu geführt, dass einige Regelungen möglicherweise über das Ziel hinausgeschossen sind. Manche Gesetzgeber haben wahrscheinlich nicht einmal ein tiefes Verständnis von dem, was sie in Gesetzesform gießen, was zeigt, dass gut gemeinte Absichten nicht immer zu präzisen Ergebnissen führen.
Viele Websites verwenden heute Tracking-Pixel, um Besucher zu analysieren und ihr Verhalten zu verfolgen. Eine umstrittene Methode ist das sogenannte “Early Pixel Shooting”: Dabei wird der Pixel bereits geladen, bevor der Nutzer dem Tracking über den Cookie-Banner zugestimmt hat. Technisch gesehen ist dies ein Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO, da noch keine explizite Einwilligung des Nutzers vorliegt.
Das frühzeitige Setzen von einem solchen Tracking Pixel verschafft Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, da sie Daten von fast jedem Website-Besucher erhalten, unabhängig davon, ob er dem Tracking zugestimmt hat oder nicht. Dies ermöglicht ein genaueres Targeting, viel mehr Daten und damit effektivere Werbekampagnen. Kampagnen, die Early Pixel Shooting nutzen, ezielen eine durchschnittliche Effizienzsteigerung von bis zu 37 % gegenüber der herkömmlichen Methode mit Cookie-Einwilligung.
In den Anfängen von SEO war das übermäßige Einfügen von Keywords ein gängiger Trick, um das Ranking in Suchmaschinen zu beeinflussen. Obwohl diese Methode heute nicht mehr so effektiv ist und von Suchmaschinen wie Google abgestraft wird, gibt es immer noch Webseiten, die versuchen, den Algorithmus mit dieser Methode auszutricksen.
Wer kennt sie nicht, die reißerischen Überschriften, die eine unglaubliche Geschichte versprechen, nur um dann etwas ganz anderes zu vermitteln bzw. zu verkaufen? Clickbaiting nutzt die menschliche Neugier aus und führt oft zu hohen Klickzahlen, aber geringer Verweildauer und Unzufriedenheit bei den Nutzern.
Nicht existente Rabatte oder schwer zugängliche Sonderangebote werden beworben, um den Verkauf anzukurbeln. Das ist fast gängige Praxis.
Unerwünschte E-Mails oder Nachrichten, meist mit Werbung oder Links, sind nicht nur lästig, sondern können auch rechtliche Konsequenzen für den Absender haben. Trotzdem setzen einige Marketer auf diese „Masse statt Klasse“-Strategie in der Hoffnung auf schnelle Gewinne. Hier werden oft fragwürdige Produkte oder Dienstleistungen angepriesen, in der Hoffnung, gutgläubigen Menschen das Portemonnaie aus der Tasche zu ziehen.
Und wenn du jetzt denkst, wir hätten die dunkelsten Ecken des Marketings ausgeleuchtet, dann halte dich fest! Es kommt noch viel, viel schlimmer…
Eine besonders hinterhältige Methode ist der Versuch, das Suchmaschinen-Ranking von Konkurrenten zu sabotieren. Dies kann beispielsweise durch das Setzen von schädlichen Backlinks geschehen. Ziel ist es, dass Suchmaschinen die betreffenden Webseiten als Spam einstufen und in den Suchergebnissen herabstufen. Dabei wird häufig auf mächtige Webseiten zurückgegriffen, die in der Vergangenheit massiv Links verkauft haben und so die Google-Ergebnisse stark manipulieren konnten.
Das Ergebnis solcher Aktionen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Sichtbarkeit in Google renommierter Webseiten durch bewusste Manipulation ihrer Linkstruktur. Hierbei handelt es sich nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um gezielte Manipulationsversuche, die gravierende Auswirkungen auf den Online-Erfolg von Unternehmen haben können.
Hierbei werden für den normalen Besucher und für Suchmaschinenroboter unterschiedliche Inhalte dargestellt. Eine weitere Variante betrifft die Umgehung der Richtlinien von Partnerprogrammen. Ein Beispiel hierfür ist Amazon: Wenn dieses Unternehmen bestimmte Marketing-Techniken in einem Land verbietet, kann durch Cloaking eine eigentlich verbotene Kampagne verborgen werden. Konkret bedeutet das, dass den „Marketingwächtern“ von Amazon eine alternative Version des Inhalts präsentiert wird, indem die IP-Bereiche des Amazon-Headquarters für die entsprechende Kampagne explizit ausgeschlossen werden.
Diese gefälschten Profile, oft mit gestohlenen Fotos und falschen Identitäten, werden genutzt, um Produkte zu bewerben, Mitbewerber zu diffamieren oder gefälschte Testimonials zu schaffen. Oft geschieht das auch über automatisiert über Bots.
Einige Unternehmen nutzen diese Techniken, um unterschiedliche Preise in verschiedenen Regionen anzubieten oder iPhone-Nutzer mehr zahlen zu lassen, da sie als zahlungskräftiger gelten.
Jetzt wird es wirklich zappenduster. Um in dieser Dunkelheit noch etwas erkennen zu können, bräuchten wir einen 10.000 Lumen Strahler… Tauchen wir ein in die Welt der “Evil Marketer”.
Betrügerischer Traffic findet oft mittels technisch-eingerichteter Täuschung statt. Den Nutzern wird der Videoplayer einer – nennen wir es mal “Tube-Seite” – vorgegaukelt, aber in Wirklichkeit handelt es sich um einen überlagerten Layer auf einer Seite, die beispielsweise mit AdSense-Anzeigen versehen ist. Wenn ein Nutzer versucht, ein Video auf dieser Tube-Seite zu öffnen, wird sein Klick stattdessen auf eine AdSense-Anzeige umgeleitet. Auf diese Weise können Betrüger aus 1.000 für 2 Euro gekauften Besuchern plötzlich 20 Euro Einnahmen generieren.
Automatisierte Bots füllen Umfragen aus, um Provisionen zu kassieren. Dadurch werden die Umfragen natürlich völlig verfälscht.
Nutzer werden heimlich mit Schadsoftware infiziert, oft auch über “harmlose” Browser-Plugins, um Daten zu sammeln oder sie auf bestimmte Seiten zu lenken.
Betrüger versuchen, persönliche Daten von Nutzern zu stehlen, indem sie gefälschte Websites oder E-Mails erstellen.
Fälschungen werden als echte Markenprodukte beworben und verkauft.
Diese Techniken überschreiten eindeutig ethische und so gut wie immer auch rechtliche Grenzen. Die Anwendung solcher Methoden führt zu schwerwiegenden rechtlichen Konsequenzen und einem erheblichen Vertrauensverlust führen.
Leider sind selbst damit immer noch nicht die Abgründe des Internets erreicht.
Mit den oben genannten Taktiken haben wir nur an der Oberfläche der dunklen Seite des Marketings gekratzt. Es gibt Techniken und Strategien, die so verwerflich und kriminell sind, dass sie die Grenzen der Vorstellungskraft sprengen. Sie stoßen in Bereiche vor, die nicht nur ethisch, sondern auch rechtlich absolut inakzeptabel sind.
Während gewöhnliches Phishing oft leicht zu erkennen ist, gehen „Deep Phisher“ wesentlich raffinierter vor. Sie nutzen Social Engineering und sammeln Informationen über ihre Opfer, um überzeugendere und personalisiertere Angriffe zu starten. Oft wird ein einzelnes Ziel monatelang beobachtet, um dann mit einer maßgeschneiderten E-Mail oder Nachricht zuzuschlagen. Ziel ist hier oft nicht einmal das Opfer selbst, sondern oft Dienstleister, die der Kunde nutzt wie seine Bank oder sein Telekommunikationsunternehmen oder gar eine staatliche Behörde.
Hierbei werden Nutzerdaten durch Schadsoftware verschlüsselt und für die Entschlüsselung ein Lösegeld verlangt. Dies ist eine direkte Form der Erpressung, die sich gegen Unternehmen, aber auch Einzelpersonen richten kann.
Statt einfach nur schädliche Backlinks auf eine Konkurrenzseite zu setzen, werden hier gezielt Links von illegalen oder verbotenen Seiten eingesetzt, um eine Webseite nicht nur im Ranking zu verschlechtern, sondern sie auch in rechtliche Schwierigkeiten zu bringen.
Mit der fortgeschrittenen Deepfake-Technologie ist es möglich, überzeugende, aber komplett gefälschte Videos oder Audiodateien zu erstellen. Einige Marketer haben sich dies zunutze gemacht, um gefälschte Werbespots, Testimonials oder Interviews zu produzieren, die dann als echt präsentiert werden.
Einige Unternehmen wenden sich mit unethischen oder manipulativen Werbemethoden gezielt an Kinder, um sie ohne Wissen oder Zustimmung der Eltern zu Käufen zu verleiten.
Aber selbst hier ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Denn es gibt tatsächlich noch schlimmere Strategien, die sehr viel mehr Schaden anrichten. Diese sind jedoch absolut jenseits von Gut und Böse, weil sie z.B. menschenverachtend sind und mehr als nur finanziellen Schaden anrichten. Beispielsweise könnten ganze Kommunikationsnetze zusammenbrechen, Menschenleben wären massiv gefährdet.
Dieser Blogbeitrag hat die Tiefen des Blackhat-Marketings ausgelotet, von den eher harmlosen Grauzonen bis hin zu den dunkelsten und gefährlichsten Taktiken. Während einige dieser Techniken kurzfristige Vorteile bringen können, sind die langfristigen Schäden und Risiken weitaus größer. Das Risiko rechtlicher Sanktionen, finanzieller Verluste und irreparabler Schäden am Markenimage ist enorm.
Es sollte betont werden, dass dieser Artikel ausschließlich zu Informationszwecken verfasst wurde. Das hier beschriebene Wissen sollte als Warnung dienen, um sich vor solchen Praktiken zu schützen oder sie zu erkennen, und nicht als Anleitung für unlautere Geschäftspraktiken.
Integrität und Ethik im Marketing sollten immer an erster Stelle stehen. Ein langfristig erfolgreiches Unternehmen wird nicht durch Tricks und Täuschungen aufgebaut, sondern durch Ehrlichkeit, Qualität und aufrichtige Beziehungen zu seinen Kunden. Zusammengefasst: Don’t do this at home!
Uwe ist seit über 21 Jahren auf der Jagd nach den besten Online-Marketing Strategien. Am meisten faszinieren ihn dabei alle wenig bekannten, aber wirkungsvollsten Methoden. 2014 gründete er die Performance-Marketing Agentur WebQuantum. Als eine Art “Online-Marketing Professor” unterrichtete er unter anderem an der Hochschule Fulda und referiert auf den unterschiedlichsten Bühnen rund um seine Lieblingsthemen SEO, Social Media Marketing & Co.
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